Hinweis: Aus Kapazitätsgründen konnte dieser Beitrag noch nicht ins Englische übersetzt werden. Ein bayerischer AfD-Landtagsabgeordneter, der zwei Personen of Colour rassistisch beleidigt und eine der Personen körperlich angreift. Ein rechter Mob, der ihm dafür im Netz applaudiert. Eine Landtagspräsidentin, die entscheidende Begriffe nicht ausspricht und eine in weiten Teilen verharmlosende Medienberichterstattung: Der rassistische Angriff des AfD-Abgeordneten Ralf Stadler auf zwei PoC vor wenigen Tagen im Zug von München nach Passau schockiert uns auf mehreren Ebenen:
Die Tat:
Am 28.03.23 postet Stadler auf seinen Social Media-Kanälen ein Video, das er während einer Zugfahrt von München nach Passau aufgenommen hat, im stehenden Zug an einer Haltestelle. Im Video ist zu sehen, wie Stadler zwei PoC rassistisch beleidigt, sie beschuldigt den Zug aufzuhalten und schließlich eine der Personen aus dem Zug stößt. Der Kontext der Situation ist völlig unklar. Stadler fragt nicht, ob die beiden Personen möglicherweise Hilfe brauchen oder was ihr Anliegen ist. Stattdessen beschimpft er sie durchweg laut und aggressiv und filmt sie, obwohl sie dies erkennbar nicht möchten.
Die Reaktion der Medien:
Das unmittelbare Presseecho fällt eher verharmlosend aus. So heißt es, dass Stadler „drückte“, obwohl er stieß. Der Begriff „Rassismus“ taucht in kaum einem Bericht auf. Stattdessen wird einer Stellungnahme Stadlers viel Platz eingeräumt, wodurch dieser mit seiner Selbstdarstellung von „Zivilcourage gegen zwei Zugstörer“ die Deutungshoheit über den rassistischen Übergriff erlangt und sich unwidersprochen inszeniert.
Die Reaktion der Landtagspräsidentin:
Landtagpräsidentin Ilse Aigner (CSU) wird in Medienberichten so zitiert: “Niemand darf einen Zug anhalten – das geht gar nicht! Aber ein Abgeordneter sollte Vorbild sein, darf keine Leute als ‘Pack’ beschimpfen, pauschal gegen alle Migranten hetzen, handgreiflich werden und Gewalt ausüben. (…)” Wir kennen den Zusammenhang des Zitats nicht, doch angeprangert wird hier vor allem das ungeschickte Verhalten Stadlers – und nicht der Rassismus. Zudem suggeriert der erste Satz eine Verantwortlichkeit der beiden PoC. Dabei gibt es dafür nach unserem Kenntnisstand nur eine einzige Quelle: Stadler.
Die Reaktionen im Netz:
Obwohl einige Social Media-Plattformen das Video bereits wegen des gefilmten rassistischen Vorfalls löschten, verbreitet gerade die extreme Rechte bis hin zum offiziellen Twitter-Account der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag das Video weiter und feiert Stadler teils frenetisch. Die Folge sind Selbstjustizaufrufe und Gewaltankündigungen gegen Geflüchtete, PoC und Migrant*innen in den Kommentarspalten, auch in Ralf Stadlers Kanal. Die rechte Szene fühlt sich nicht nur ermutigt, sondern bestätigt, in Zukunft „selber Hand anlegen zu dürfen“.
Als Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt verurteilen wir den rassistischen Angriff Stadlers aufs Schärfste. Es macht uns fassungslos, dass ein Landtagsabgeordneter am hellichten Tag Personen of Colour körperlich angreift, beschimpft, diffamiert und ein Video davon mehrere hunderttausend Mal anklicken lässt, ohne dass es einen nennenswerten öffentlichen Protest dagegen gibt.
Falls Ihr die Betroffenen kennt, macht Sie bitte auf unser kostenloses, vertrauliches Unterstützungsangebot aufmerksam. Als Beratungsstelle stehen wir Betroffenen rechter Gewalt solidarisch zur Seite, und die beiden können sich sehr gern an uns wenden.