Körperliche Angriffe, Beschimpfungen, Veröffentlichung von Namen und Adressen in Chats der gewaltbereiten rechten Szene: Gewalt gegen Journalist*innen hat deutlich zugenommen, vor allem im Umfeld von verschwörungsideologischen Demonstrationen. So verzeichnete das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) im vergangenen Jahr 83 tätliche Angriffe auf Journalist*innen – und damit 14 mehr als 2020. In Bayern gab es 10 Fälle.*
Auch bei B.U.D. Bayern melden sich regelmäßig betroffene Medienschaffende. Sie berichten, dass sie vor Ort oftmals von der Polizei nicht ausreichend geschützt oder sogar eher als Störer*innen oder Provokateur*innen wahrgenommen würden. Zudem würden Verfahren häufig eingestellt und Täter*innen selten verurteilt. Aus unseren Beratungsgesprächen wissen wir, dass körperliche Angriffe auf Journalist*innen im Umfeld von verschwörungsideologischen Demonstrationen an der Tagesordnung sind. Hinzu kommt: Die Betroffenen berichten uns von einem konstanten Bedrohungsszenario, das sie offenbar dauerhaft einschüchtern und in ihrem Sicherheitsgefühl – und dadurch letztlich in ihrer Arbeit – einschränken soll. Rempeleien, Bedrohungen, Verfolgungen: Solche Vorfälle auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze sollen Medienschaffende offensichtlich zermürben und sich negativ auf ihre Arbeit auswirken.
Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit appelliert B.U.D. Bayern eindringlich an Politik, Polizei und Justiz, Journalist*innen besser zu schützen, um das Grundrecht der Pressefreiheit zu gewährleisten. Die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Bayern fordert gemeinsam mit den Betroffenen:
- Frühzeitiges und deeskalatives Handeln der Polizei vor Ort: Polizist*innen müssen im Umfeld von Demonstrationen potenzielle Gefahrensituationen (z.B. das Bedrängen von Journalist*innen) frühzeitig wahrnehmen und darauf reagieren.
- Sensibilisierung der Einsatzkräfte in Bezug auf „Politisch Motivierte Kriminalität (PMK)“: Oftmals werden Täter*innen aus dem rechten Spektrum anhand von stereotypen Merkmalen identifiziert (z.B. Springerstiefel, Glatze). Polizist*innen vor Ort müssen erkennen können, was politisch motivierte Tathandlungen auch jenseits dieser Stereotypen kennzeichnet.
- Sensibilisierung in Bezug auf den verschwörungsideologischen Bereich: Die Einsatzkräfte müssen diese Bewegung und ihre Dynamiken endlich ernst nehmen und als radikal und demokratiefeindlich erkennen. In diesem Zusammenhang:
- Keine Zuordnung von Pressevertreter*innen in politische „Lager“: Angriffe auf Journalist*innen auf verschwörungsideologischen Demonstrationen werden seitens der Polizei zum Teil als Auseinandersetzung zwischen rechtem und linkem Lager verstanden. Es geht hier jedoch um das Grundrecht der Pressefreiheit, nicht darum, welche Art der Berichterstattung ggf. gewünscht wird.
- Verbessertes Bewusstsein für Medienarbeit und Medienrecht seitens der Polizei: Journalist*innen beklagen hier mangelndes Verständnis. So werden sie zum Beispiel durch die Polizei wegen Fotoaufnahmen von Versammlungen ausgeschlossen oder es kommt zu Belehrungen wegen Portraitaufnahmen.
- Proaktives Handeln in Bezug auf Onlineplattformen: Polizei und Justiz müssen bekannte Kanäle konsequent monitoren und Straftaten ermitteln. Mehrfach wurden bereits persönliche Daten von Journalist*innen in Chats von hochradikalisierten und gewaltbereiten Verschwörungsmilieus massenhaft geteilt.
- Opferschutzperspektiven für Journalist*innen, die auch außerhalb der Veranstaltungen angegriffen oder belästigt werden. Seitens der Polizei fielen schon Aussagen wie: „Ziehen Sie sich zurück und hören Sie auf, wenn es Ihnen so viele Umstände macht“. Die Polizei muss hier ihrem Schutzauftrag besser nachkommen!
B.U.D. Bayern solidarisiert sich durch diese Forderungen mit den betroffenen Journalist*innen und wird ihnen auch in Zukunft mittels unabhängiger Beratung und Unterstützung zur Seite stehen.
Über B.U.D. Bayern:
B.U.D. Bayern ist die unabhängige Anlaufstelle bei rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Bayern. Als unabhängige Beratungsstelle stehen wir direkt Betroffenen, ihren Angehörigen und ihrem Umfeld sowie Zeug*innen rechter Übergriffe zur Seite. Unsere Beratung ist kostenlos, vertraulich und auf Wunsch anonym. Zudem klären wir über rechte, rassistische und antisemitische Gewalt auf und dokumentieren entsprechende Übergriffe und Vorfälle in Bayern.
Link zur Studie des ECPMF.