10 Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU: Die Beratungsstelle B.U.D. Bayern bewertet den Umgang des Bundeslandes mit den Betroffenen rechter Gewalt und ihren Angehörigen in den vergangenen zehn Jahren
Heute vor zehn Jahren enttarnt sich die rechte Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ selbst. Bayern ist als Tatort von fünf Morden und einem Sprengstoffanschlag das Bundesland mit den meisten Attentaten des NSU. Als Beratungsstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt blickt B.U.D. Bayern auf die letzten zehn Jahre zurück und stellt fest: Bayern muss seiner Verantwortung für die Betroffenen und ihre Angehörigen noch gerecht werden.
Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Habil Kılıç, İsmail Yaşar und Theodoros Boulgarides werden durch den NSU in Bayern ermordet. Mehmet O. überlebt den Bombenanschlag auf seine Bar. Die Überlebenden und Angehörigen haben zunächst keinen Anspruch auf finanzielle Opferentschädigung. Auch medizinische Versorgungsleistungen bleiben aus, denn die Taten werden von den Behörden nicht als rechtsmotiviert anerkannt, die Überlebenden und Angehörigen nicht als Opfer wahrgenommen. Im Gegenteil: Sie werden als Täter*innen und Kompliz*innen markiert. Kosten für etwa die Überbrückung der Arbeitsunfähigkeit nach den traumatisierenden Ereignissen und Wohnungswechsel aus Angst vor den Täter*innen werden von den Überlebenden und Angehörigen selbst getragen. Die wenigen Entschädigungsleistungen der letzten zehn Jahre kommen zu spät.
Noch immer fordern die Überlebenden und Angehörigen die Aufklärung des NSU Komplexes. Erst vor kurzem wird im Oberlandesgericht München die Rechtsterroristin Susanne G. verurteilt, die Kontakt zu den beiden Helfern des NSU André E. und Ralf Wohlleben pflegt. Verbindungen des NSU zu aktiven Personen der rechten Szene werden immer wieder sichtbar. Nicht nur muss die Existenz rechter Netzwerke anerkannt werden – es müssen Konsequenzen folgen.
Im Jahr 2016 ermordet ein rechter Attentäter am OEZ-Einkaufszentrum neun Menschen. Auch er hat Verbindungen zu anderen rechten Akteur*innen. Einer von ihnen tötet 16 Monate später in den USA zwei Personen. Das OEZ-Attentat wird zu diesem Zeitpunkt nicht als rechtsmotiviert bewertet. Eine Anerkennung erfolgt drei Jahre später.
Auch der LGBTIQ*-feindliche Mord an Klaus Peter Beer in Amberg wurde 2021 und damit 26 Jahre später rückblickend als rechtsmotiviert anerkannt. Die Revision von ersten Einordnungen auch Jahre und Jahrzehnte später ist ein wichtiger Schritt im Umgang mit rechter Gewalt, der das Leid der Betroffenen anerkennt und Konsequenzen möglich macht. Jedoch ist es noch wichtiger, Taten zeitnah als rechtsmotiviert einzuordnen, damit Betroffene und Angehörige schnell Entschädigung und die benötigte Unterstützung erhalten.
B.U.D. Bayern schließt sich den Forderungen der Betroffenen an:
Das Bundesland Bayern braucht einen eigenen Opferfonds für Betroffene von rechter Gewalt. Diese Gelder müssen ausreichend und zeitnah für die Betroffenen verfügbar sein.
Der NSU Komplex muss aufgeklärt und aufgelöst werden. Dazu fordern wir einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag, damit die Kontinuitäten rechten Terrors in Bayern anerkannt werden und Konsequenzen folgen können.
Wir fordern, wie auch die Betroffenen, dass rechter Terror nicht wieder passiert. Rechten Akteur*innen müssen ihre Waffen genommen werden.
Pressekontakte, Anlagen und Verweise
Annika Stein, Mitarbeiterin für die Öffentlichkeitsarbeit der Beratungsstelle B.U.D. Bayern,
E-Mail: pr@bud-bayern.de, Mobiltelefon: 015259176069